Vor nicht mal 200 Jahren — das Bier war noch dunkel, und die Honoratioren a bisserl vornehm und a bisserl leger — da dauerte die Reise mit der Postkutsche von München zur königlichen Sommerresidenz in Tegernsee noch zwei Tage. Übernachtet wurde in Sauerlach: dem „Tor zum Oberland“ — Tempi passati.

Im Jahr 1857 kam die Eisenbahn, und die Postkutschenzeit ging langsam zu Ende. Sauerlach war lang ein respektabler Bahnhof mit Gleis-Anschlüssen zum Lagerhaus und zur lokalen Schmalspur-Waldbahn. Aber dann kam in den 1970ern Olympia und die S-Bahn, und die Eisenbahn verlor das Interesse an Sauerlach. 1998 wurden die alten Nebengleise und Weichen zurückgebaut, und Sauerlach wurde herabgestuft zum „Haltepunkt“. Der regionale Schienenverkehr ins Oberland dagegen wurde und wird weiter massiv ausgebaut: 2002 kam die Bayerische Oberlandbahn (BOB), 2012 schließlich der Meridian. Was hat Sauerlach davon? — Den Verkehr, aber keinen Anschluss! Und das, obwohl der Ort bald 8000 Einwohner zählt, am „inoffiziellen Autobahn-Südring“ liegt und eine P+R-Anlage besitzt.

Wollen Sie werktags von Sauerlach zum Münchner Hauptbahnhof? Der MVV  (mvv-muenchen.de) empfiehlt, um 10:17 Uhr die S-Bahn nach Holzkirchen und dort die BOB zu nehmen, d.h. die halbe Strecke in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Dieser lustige Ausflug ins Oberland kostet nur einen geringen Mehrpreis (11,20 € statt 5,60 €), und er spart Zeit, denn die nächste S3 nach München geht erst eine halbe Stunde später um 10:44 Uhr.

Der Trend geht überhaupt zum Landleben: Die Leute ziehen immer weiter raus — wo „Schöner Wohnen“ noch bezahlbar ist. Aber sie möchten natürlich eine optimale Anbindung in die Metropole. Und Sauerlach liegt halt leider mitten in der Etappe — da wo alle nur schnell weiter wollen. Naja, alle außer uns. Deshalb ist man heute von Schaftlach genauso schnell am Hauptbahnhof wie von Sauerlach, obwohl es doppelt so weit draußen liegt.

Aber vielen Orten geht es doch ähnlich, oder? Mal sehen: Wo fährt denn der Regionalzug sonst noch durch auf dieser Strecke? Otterfing ist nur halb so groß wie Sauerlach und eigentlich ein Vorort von Holzkirchen. In Deisenhofen hält zumindest der Meridian. Im Oberland halten die Züge an jeder Milchkanne, und in der Stadt auch. Nur bei uns rauschen alle Züge konsequent durch, mit 140 km/h und großer Lautstärke.

Sauerlach wird zum Weiler am Wegrand. Dabei waren wir hier vor der BOB mit der S20/S27 schon einmal weiter: In 15 Minuten und ohne Umsteigen nach Sendling!

Text und Foto: Hans Grund